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Die didaktische Reduktion |
Hans-Dietrich
Zeuschner, 10.10.04
Ins Abseits geraten und dennoch nach wie vor aktuell:
Die didaktische Reduktion
„Sieh mal, das ist doch ganz einfach, ……“ mit diesen Worten beginnen häufig Erklärungsansätze in der Familie oder der Schule, am Stammtisch, auf dem Sportplatz und an sonstigen Begegnungsstätten.
Nicht nur um Informationen und Sachverhalte, sondern ebenfalls um Probleme ins Bewusstsein zu rücken, zu vermitteln wird vereinfacht, d.h. reduziert und transformiert , häufig geschieht dies, ohne dass man sich dessen bewusst wäre.
Im Unterricht sollen die Methoden Transformieren und Reduzieren ganz bewusst, ich wiederhole ganz bewusst, d.h. nicht zufällig bzw. durch ein Medium gesteuert eingesetzt werden.
Transformieren (lat. trans-formare meint „umformen, verwandeln“), umgestalten, umbilden, z.B. bei Wechselstrom umwandeln, nach Möhlenbrock,R.:
Transformation „ist die Abbildung eines vorgegebenen, als lernrelevant ausgewiesenen Wissenschaftsinhaltes (Transformandum) in einen vereinfachten, für Schüler verständlichen Lerninhalt (Transformat) unter Berücksichtigung rezeptiver und kognitiver Momente sowie unter Einbeziehung der Lernabsichten/-ziele, die sich mit dem Lerninhalt verbinden“
Reduzieren (lat. re meint „zurück, wieder“ und lat. ducere meint „ziehen, führen“) zurückführen; herabsetzen, einschränken; verkleinern, mindern; umrechnen, umwandeln.
Ziel der didaktischen Reduktion bei der Vorbereitung von Unterricht ist, den Inhalt Schüler gemäß, d.h. für sie übersichtlicher, klarer, begreifbarer zu gestalten. Durch die didaktische Reduktion werden komplizierte Inhalte auf einfache Sachverhalte, Zusammenhänge, Probleme reduziert. Mit der Reduktion dürfen keine Verfälschungen des Inhalts einhergehen, anderenfalls würde man sich des Vorwurfs der Manipulation aussetzen.
Die didaktische Reduktion wurde nach 1967 von Grüner „als Kernpunkt der Didaktik“ entdeckt und entsprechend in der Literatur gewürdigt. Sie ist m. E. heute im Hinblick auf die vielfältigen Voraussetzungen der Schüler in den verschiedenen Formen der Berufsbildenden Schulen aktuell wie eh und je. Und dennoch habe ich bei Unterrichtsbesuchen feststellen müssen, dass Lehrkräfte die in den von ihnen eingesetzten Medien berücksichtigten Stufe der didaktischen Reduktion kritiklos akzeptiert bzw. dieselbe Reduktionsstufe für den Unterricht in verschiedenen BBS-Formen angewendet haben. |
Waagerecht und
senkrecht
Die didaktische Reduktion wird in Stufen horizontal und/oder vertikal vorgenommen. Beim horizontalen didaktischen Reduzieren ändert sich der Gültigkeitsumfang nicht. Die Aussage bleibt vollständig erhalten, der Inhalt wird lediglich mit anderen Begriffen oder Zeichen (schülergemäß) be- bzw. umschrieben.
Bei der vertikalen didaktischen Reduktion wird der Gültigkeitsumfang eingeschränkt. Der vermeintlich aus Schülersicht komplizierte Inhalt wird reduziert auf vergleichsweise einfachere Probleme, Zusammenhänge, Sachverhalte, die Anteile des komplexen Inhalts sind.
Das nachstehend dargestellte Exempel aus dem Technologieunterricht zeigt die horizontalen und vertikalen Reduktionsstufen in systematischer Form auf.
OBERSTE
AUSSAGE:
Ein Körper befindet sich unter Laborbedingungen in Ruhe oder behält auf geradliniger Bahn seine Geschwindigkeit bei, wenn die Resultierende aller angreifenden Kräfte sowie das resultierende Moment in Bezug auf einen beliebigen Punkt gleich Null ist. Reduktionsstufen
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Bei den beiden nachfolgend angeführten Beispielen für den Wirtschaftskundeunterricht sind verschiedene Stufen der horizontalen und der vertikalen didaktischen Reduktion miteinander verknüpft. Sie stammen aus Vorlesungsscripten, Lehrbüchern für unterschiedliche BBS-Schulformen und Unterrichtsentwürfen, zunächst die Reduktion eines Fachbegriffs.
a) Stichwort Bruttosozialprodukt
1. |
Das Bruttosozialprodukt zu Marktpreisen besteht aus dem Verbrauch der Haushalte, der Gesamtinvestitionen der Unternehmen und dem Außenbeitrag in einem Rechnungsjahr. |
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2. |
Das Sozialprodukt ist der Wert aller in einem bestimmten Zeitraum erstellten Sachgüter und erbrachten Dienstleistungen, soweit sie gegen Geld verkauft wurden.
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3. |
Das Sozialprodukt ist der Marktwert aller während eines Rechnungsjahres produzierten Güter und Dienste eines Staates, die nicht wieder im Produktionsprozess verbraucht werden.
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4. |
Das Sozialprodukt ist eine Wertangabe für alle Güter und Dienstleistungen innerhalb eines bestimmten Zeitabschnittes.
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5. |
YB
= C + IB + G + Ex - In Y
B :
Bruttosozialprodukt zu Marktpreisen C : privater Konsum I
B :
Bruttoinvestitionen der Unternehmen G
:
Staatsausgaben Ex
:
Export Im
:
Import Alle Größen sind auf ein Rechnungsjahr bezogen.
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6. |
Produktionswerte - Vorleistungen - an das Ausland gezahlte Einkommen + aus dem Ausland empfangene Einkommen - Abschreibungen - indirekte Steuern + Subventionen |
= Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen
= Bruttosozialprodukt zu Marktpreisen = Nettosozialprodukt zu Marktpreisen = Nettosozialprodukt zu Faktorpreisen |
b) Stichwort
Maximalprinzip / Minimalprinzip
1. | Du kommst
gut rüber, wenn Du möglichst wenig bringst oder löhnst, um was zu
kriegen. Wenn Du alles bringst oder Iöhnst, was Du hast oder kannst,
willste auch was Maximales kriegen.
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2. | Wenn ich
100 km fahre und dafür so wenig wie möglich Sprit verbrauchen will,
handle ich nach dem Sparprinzip = Minimalprinzip.
Wenn ich mit 5 Liter
Sprit möglichst weit kommen will, handle ich nach
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3. |
Die
Werbeabteilung einer Möbelfabrik handelt nach dem Maximalprinzip,
wenn sie über 100.000,-DM verfügen kann und damit für den Verkauf von möglichst
vielen Küchen sorgen soll, dagegen handelt sie nach dem Minimalprinzip, wenn sie mit möglichst geringen Werbeausgaben einen Posten (evtl. Sonderposten) Küchen verkaufen will.
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4. |
Für
jedes Wirtschaften gilt der Grundsatz des geringsten Mittels (ökonomisches
Prinzip), d.h. ein Gut soll jeweils mit einem möglichst geringem
Aufwand erstellt, verteilt und verbraucht werden.
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5. |
a)
Maximalprinzip, es verlangt dass mit gegebenen Mitteln eine möglichst
hohe Leistung erzielt wird. b) Minimalprinzip, es verlangt, dass eine vorbestimmte Leistung mit möglichst geringen Mitteln erzielt wird
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6. | Entweder
können die Mittel gegeben sein, dann gilt es, mit diesen Mitteln den größten
Erfolg zu erzielen (Prinzip des größten Erfolges oder
Maximalprinzip), oder aber ein bestimmter Erfolg soll mit dem
geringsten Aufwand erreicht werden (Prinzip
des kleinsten Mitteleinsatzes oder Minimalprinzip).
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7. |
DAS
MAXIMALPRINZIP
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Ausdrücklich muss darauf hingewiesen werden, dass die
Fachbegriffe, (hier Einsatz von Mitteln, Aufwand und Erfolg, hohe/vorbestimmte Leistung)
vor der Behandlung des didaktisch
reduzierten Inhalts (hier Prinzip) im Unterricht geklärt sein müssen. Dabei
darf sich die Lehrkraft nicht irritieren lassen, und zuviel voraussetzen. Immer
wieder ist im Unterricht festzustellen, dass Schüler Fachbegriffe gewissermaßen
als Worthülse gebrauchen, ohne
eindeutig ihre Bedeutung zu kennen.
Ich
hoffe, mit diesem Aufsatz das Thema Didaktische
Redaktion konkret sowie
unterrichtsrelevant, aufgearbeitet zu haben, und würde es als Erfolg verbuchen
wollen, wenn meine Leser zukünftig die horizontalen und die vertikalen
didaktischen Reduktionsstufen ganz
gezielt im Hinblick auf ihre
Schulformen und Klassen aussuchen würden, falls sie dies bisher noch nicht
getan haben sollten. |
Der Fachbeitrag wurde weder gekürzt noch inhaltlich verändert. Wiesinger
19.02.2015