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 Fahrwerk

Die Aktivlenkung von BMW

Bei der BMW Lenkung wird bei einigen Modellen die so genannte Aktivlenkung eingesetzt (auch: AFS - Active Front Steering). Es handelt sich hierbei um ein intelligentes fahrdynamisches Lenksystem. Eine Probefahrt hat den Autor von dieser völlig anderen Lenkung überzeugt.

Bei der Aktivlenkung handelt es sich um eine Technologie mit zwei wesentlichen Merkmalen:

1) Geschwindigkeitsangepasste Lenkung

Bei niedrigen Geschwindigkeiten (z.B. 30 km/h oder langsamer) sind weniger Drehungen des Lenkrads erforderlich, um die Fahrtrichtung zu ändern. Wenn man zum Beispiel rückwärts einparken will, muss man das Lenkrad nicht so weit einschlagen, wie man es bisher gewohnt war. Denn die variable Lenkübersetzung passt die Lenkübersetzung an die Fahrgeschwindigkeit und den vom Fahrer geforderten Lenkwinkel an. Das Handling des Fahrzeugs wird bei langsamer Fahrt oder beim Einparken durch AFS bedeutend gesteigert. Es ist kein Umgreifen am Lenkrad mehr nötig. Zwei Lenkradumdrehungen reichen im Stand aus, um das Lenkrad von Anschlag bis Anschlag zu bewegen.

Aktivlenkung Parken  Parken
Bei hohen Geschwindigkeiten (120 km/h) ist dagegen ein größerer Einschlag des Lenkrads erforderlich, um die Fahrtrichtung zu ändern. Wenn man zum Beispiel bei 130 km/h auf einer Autobahn die Fahrspur wechseln möchte, ist ein bewusster Einschlag des Lenkrads erforderlich um die Fahrtrichtung zu ändern. Wenn man zum Beispiel bei 130 km/h auf einer Autobahn die Fahrspur wechseln möchte, ist ein bewusster Einschlag des Lenkrads erforderlich - eine geringe oder ungewollte Bewegung würde die Fahrtrichtung nicht beeinflussen. Bei hohen Geschwindigkeiten ermöglicht die Aktivlenkung somit eine indirektere Lenkübersetzung als bei konventionellen Lenkungen. Der Stellmotor arbeitet bei den hohen Geschwindigkeiten gegensinnig zum Lenkradwinkel. Zusammen mit dem angehobenen Lenkmomentniveau (Servotronic) werden ungewollte Lenkbewegungen verhindert.  

Bei hohen Geschwindigkeiten ist die Lenkung indirekt, bei langsamer Fahrt ist die Lenkung direkt ausgelegt.

2) ESP Lenkregulierung

Durch die Verbindung der Lenkung mit dem ESP (= Elektronisches Stabilitäts-Programm, bei BMW DSC = Dynamic Stability Control genannt) stabilisiert die Aktivlenkung das Fahrzeug in schwierigen Fahrsituationen (schlechter Straßenzustand oder starker Wind). Wenn zum Beispiel die Gefahr besteht, dass das Heck des Fahrzeugs in einer Kurve auf nasser Straße ausbricht, beeinflusst diese Technologie unbemerkt die Position der Räder und somit die Fahrtrichtung. Der Fahrer kann dabei ganz normal durch die Kurve steuern.


Bei Seitenwind

 

 

Die oben beschriebenen Merkmale ermöglichen es dem Fahrzeug, Fahrsituationen zu erkennen und das Lenkverhalten für den Fahrer anzupassen.

 

1   Auslegung der Aktivlenkung

2   Konventionelle Auslegung (blau)

3   Fahrgeschwindigkeit

4   Übersetzung

 

 

Beschreibung der Technik

Das elektronisch geregelte Lenksystem unterstützt den Fahrer zum einen über die

  • Momentunterstützung der Servolenkung und zum anderen mit einer

  • variablen Lenkübersetzung

Das Kernstück der Aktivlenkung ist die Aktivlenkungs-Stelleinheit. Diese ist im Lenkgetriebe zwischen Servotronic-Ventil und Zahnstange eingebaut. Die Stelleinheit besteht aus einem Elektromotor und einem Überlagerungsgetriebe.

Unter Überlagerungsgetriebe ist im Prinzip ein Planetengetriebe zu verstehen, das in der geteilten Lenksäule integriert ist.

 Schema einfaches Planetengetriebe

1 = Sonnenrad

2 = Planetenrad

3 = Planetenradträger

4 = Hohlrad

vereinfache Darstellung eines Planetengetriebes

Das Überlagerungsgetriebe besteht im Wesentlichen, aus den Hauptkomponenten Schneckenrad, zwei Planetenradträgern und drei Stufenplaneten (siehe Bilder unten). Die Stufenplaneten stellen die mechanische Verbindung zwischen dem oberen (Welle des Servotronic-Ventils) und dem unteren Sonnenrad her.

 

Überalgerunsgetriebe

2 Planetenradträger

3 Schneckenrad

4 Stufenplanet

5 Sonnenrad (Welle)

7 Sicherheitssperre

8 Schneckentrieb

9 Elektromotor

Aktivlenkungs-Stelleinheit  

 

 

Getriebe Aktivlenkung

In Abhängigkeit von der Fahrzeuggeschwindigkeit greift ein Elektromotor über einen Schneckentrieb in das Planetengetriebe ein. So erzeugt das Lenksystem in bestimmten Fahrsituationen einen zusätzlichen oder umgekehrt einen reduzierten Lenkwinkel an den Vorderrädern der durch Änderung des Übersetzungsverhältnisses an der Lenkspindel (= d) erreicht wird. In kritischen Situationen kann das Lenksystem den vom Fahrer eingeschlagenen Lenkeinschlag der Räder gezielt verändern und das Fahrzeug damit schneller als der Fahrer stabilisieren. 

1 Sperre
2 Schneckentrieb
3 Elektromotor
4 Schneckenrad
5 Planetengetriebe
erweiterte Darstellung  des Getriebes

Die Drehrichtung, die Drehzahl und die Dauer der Motorbewegung werden von einem angebauten Motorwinkelsensor überwacht, um den Lenkwinkel zu berechnen. Bei einer vom Elektromotor erzeugten Bewegung des Schneckenrades umkreisen die Stufenplaneten die beiden Sonnenräder. Aufgrund der Zähnezahldifferenz der Stufenplaneten entsteht eine relative Drehbewegung der Sonnenräder (Lenkspindelbewegung = Lenkbewegung) zueinander. Wäre die Zähnezahl der Sonnenräder gleich würden die Planetenräder ohne Kraftübertragung um beide Sonnenräder umlaufen. Die Lenkrad- und Schneckenbewegung (erzeugt durch den Elektromotor) wird am unteren Sonnerad zusammengeführt (Drehzahldifferenz zwischen oberen und unteren Planetensatz) und über das Antriebsritzel auf die Zahnstange übertragen.

Der Lenkwinkel fällt bei einer gleichsinnigen Bewegung von Schneckenrad und oberem Sonnenrad kleiner (negativ) aus. Bei einer gegensinnigen Bewegung fällt der wirksame Lenkwinkel größer (positiv) aus.

Als zusätzliche Bauteile zur herkömmlichen Servotronic werden neben der Stelleinheit ein Summenlenkwinkelsensor, das Aktivlenkungssteuergerät, das Sicherheits- und Gatewaymodul (SGM) und eine veränderte Hydraulikpumpe benötigt.

 

 

 

Eingangs - und Ausgangssignale bei der Aktivlenkung

 

1 Raddrehzahlsensoren

2 Bremsbelagverschleißsensoren

3 Bremslichtschalter 

4 Bremsflüssigkeits-Niveauschalter

5 DSC-Taste

6 DSC-Sensor1

7 DSC-Sensor 2

8 Summen-Lenkwinkelsensor

9 Lenkwinkelsensor PT-CAN (Powertrain-CAN)

10 Motorlagesensor der Stelleinheit F-CAN (Fahrwerks-CAN)

11 Instrumentenkombination (byte-flight: schneller Direktbus)

12 DSC-Steuergerät K-CAN (Karosserie-CAN)

13 AFS Aktivlenkungs-Steuergerät

14 SGM-Steuergerät

15 DME-Steuergerät

16 Sperre der Stelleinheit

17 Stelleinheit-Aktivlenkung

18 Servotronic-Ventil

19 BMW Diagnosesystem

20 Hydraulikpumpe mit ECO-Ventil

Der Summenlenkwinkelsensor

Der Summenlenkwinkelsensor erfasst den Drehwinkel des Lenkradritzels und somit den Radeinschlag (bzw. den Lenkwinkel) des Fahrzeugs. Er arbeitet nach dem magnetoresistiven Prinzip und ist nicht einzeln austauschbar. 

Das Sicherheits-und Gatewaymodul (SGM)

Erhält das SGM nach 100 ms keine gültige Botschaft vom Aktivlenkungssteuergerät, so arbeitet es mit einer fahrgeschwindigkeitsabhängigen Ersatzkennlinie. Diese stellt ausreichende Lenkeigenschaften für das passive Lenksystem sicher. 

Die Hydraulikpumpe

Die vektorielle Überlagerung der Stellgeschwindigkeiten des Fahrers und des Stellmotors kann – wenn beide Stellbewegungen gleichgerichtet sind – in bestimmten Fahrsituationen zu einer Stellanforderung mit deutlich höheren Zahnstangenverschiebegeschwindigkeiten als bei konventionellen Lenkungen führen. Diese Situationen erfordert dementsprechend auch einen höheren Ölvolumenstrom. Da nicht dauernd ein hoher Druck erforderlich ist, wird eine Flügelzellenpumpe mit variablem druckseitigen Volumenstromregler verwendet.

Zusammenfassung der Vorteile des Systems

  • Das Lenksystem Aktivlenkung unterstützt den Fahrzeugführer bei Lenkbewegungen und bringt Zusatzlenkwinkel in Abhängigkeit von fahrdynamischen Größen aktiv in die Lenkung ein.

  • Beim Einparken sind nur geringe Lenkradbewegungen nötig, um große Radeinschläge zu bewirken. Es werden von Lenkradanschlag bis Lenkradanschlag weniger als 2 Lenkradumdrehungen benötigt.

  • Bei hohen Geschwindigkeiten, etwa auf der Autobahn, wird die Lenkübersetzung zunehmend indirekter bis hin zum Niveau konventioneller Lenkungen und sogar darüber hinaus. Das gleichzeitig ansteigende Lenkmomentniveau verhindert ungewollte Lenkbewegungen und der Fahrer spürt den Gewinn an Fahrstabilität.

  • Ungewollte Fahrzeugbewegungen, z.B. Übersteuern, werden vom Lenksystem Aktivlenkung ausgeglichen, ohne dass der Fahrer korrigierend eingreifen muss, um die gewünschte Spur zu halten.

  • Die Eingriffsschwelle der DSC liegt höher als die Eingriffsschwelle der Aktivlenkung. Wenn ein Übersteuern des Fahrzeugs erkannt wird, so greift zuerst die Aktivlenkung ein, um das Fahrzeug zu stabilisieren. Erst wenn das Stabilisieren über die Lenkung nicht ausreicht, greift DSC ein  

Quelle: BMW, Akademiebericht Dillingen

Weitere passende Berichte: Servotronic | EPS | Drehmomentsensor | ESP | Servolenkung


Autor: Johannes Wiesinger
bearbeitet: 29.12.2022
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