Der Umgang mit Hochvolt im Werkstattalltag
Wie müssen sich die Kfz-Werkstätten aufstellen,
um mit den Hochvoltsystemen von Elektroautos und Hybridfahrzeugen klar zu
kommen?
Die Elektromobilität hat den Fahrzeugmarkt spürbar verändert. Die Hersteller investieren massiv in neue Modelle, die Politik und die Industrie bauen die Ladeinfrastruktur und die Batterietechnologie weiter aus.
Die Werkstätten stehen damit gleich vor einer doppelten Herausforderung: Sie müssen Fahrzeuge warten, die mit einer völlig anderen Technik als noch vor ein paar Jahren ausgestattet sind. Außerdem müssen sie dabei sicherstellen, dass ihre Beschäftigten für den Umgang mit Hochvoltsystemen qualifiziert sind.

Um an Hochvoltsystemen arbeiten zu können,
muss erst die entsprechende Qualifikation erworben werden - Bild:
Continental
Fachkenntnisse sind unverzichtbar
Die Spannungen, mit denen in Elektro- und Hybridfahrzeugen gearbeitet wird, bewegen sich im Bereich von 400 bis 800 Volt. Wird in diese ohne die entsprechenden Kenntnisse eingegriffen, ergeben sich erhebliche Risiken.
Deshalb ist ein neues Sicherheitsverständnis in Werkstätten unverzichtbar.
Hochvoltsysteme spielen darüber hinaus auch jenseits des klassischen Automobils eine zunehmende Rolle. Selbst
ein Gabelstapler im innerbetrieblichen Einsatz wird heute häufig elektrisch betrieben und ist mit einem leistungsstarken Batteriesystem ausgestattet. Somit lohnen sich entsprechende Kenntnisse auch, falls in Zukunft in einer anderen Branche gearbeitet wird.
Ein Hochvoltsystem setzt sich im Wesentlichen aus der Batterie, der Leistungselektronik
(Inverter, DC/DC-Wandler), dem Elektromotor und der Ladeeinheit zusammen.
Die Batterie dient als Energiespeicher und wird über ein Batteriemanagementsystem permanent überwacht. Diese kontrollierte Temperatur, Ladezustand und Spannung, damit Fehlfunktionen verhindert werden.
Die Leitungen solcher Systeme sind durch eine charakteristische orangefarbene Ummantelung gekennzeichnet, die auf die erhöhte Spannung hinweist. Spezielle Relais und Schalter sorgen dafür, dass die Verbindung zum Netz im Ruhezustand getrennt bleibt
(s.a. hochvolteigensicher). Auf diese Weise wird das Risiko von Kurzschlüssen minimiert.

Die Leitungen von HV-Systemen sind durch eine orangefarbene Ummantelung gekennzeichnet
- Bild: Hyundai
Einteilung in verschiedene Sicherheitsstufen
Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung hat mittlerweile klare Vorgaben für Arbeiten an Hochvoltsystemen erlassen. Die DGUV Information 209-093 unterscheidet dabei drei Qualifikationsstufen:
-
Elektrotechnischer Laie
ist jede Person, deren Qualifikation nicht ausreicht, um an HV-Fahrzeugen arbeiten zu dürfen. Der Aufenthalt und das Arbeiten im abgegrenzten Arbeitsbereich sind Elektrotechnischen Laien untersagt.
-
Personen, die nur
unterwiesen sind, dürfen ausschließlich Tätigkeiten ohne Hochvoltbezug übernehmen
(FuP = fackhkundig unterwiesene Person; früher elektrisch
unterwiesen Person EuP).
-
Fachkundige Personen
für Hochvolt (FHV) dürfen Hochvoltsysteme spannungsfrei
schalten und daran arbeiten
-
Hochvoltexperten sind für die seltene Fälle nötig, in denen Arbeiten unter Spannung erforderlich sind.
Dieses Modell stellt sicher, dass ausschließlich geschulte Fachkräfte Zugang zu den kritischen Komponenten haben. Der Bedarf an solchen Qualifikationen steigt seit Jahren kontinuierlich an. Werkstätten, die ihre Beschäftigten umfassend weiterbilden, sichern sich somit langfristig einen Wettbewerbsvorteil.
Neue Chancen für Werkstätten
Mit der Ausweitung der Elektromobilität entstehen auch zahlreiche neue Möglichkeiten. Neben der klassischen Wartung rücken andere Dienstleistungen wie Batteriediagnosen, Zellentausch oder die Softwarepflege der Steuergeräte in den Fokus. Zur gleichen Zeit wächst die Nachfrage nach Experten, welche die Ladeeinrichtungen prüfen oder
Recyclingprozesse begleiten.
Für Auszubildende bietet dieses Umfeld einen besonderen Anreiz. Viele Berufsschulen und überbetriebliche Ausbildungsstätten haben schon
Module zur Elektromobilität in ihre Lehrpläne integriert. Wer sich frühzeitig qualifiziert, verschafft sich einen Vorsprung auf dem Arbeitsmarkt.

Eine ausgemusterte Hochvolt-Batterie wird zerlegt und
recycelt - Bild: Audi
Elektromobilität verändert das Berufsbild
Der Umgang mit Hochvolttechnik verlangt Sorgfalt, Disziplin und fundiertes Fachwissen. Werkstätten, die diese Entwicklung aktiv begleiten und unterstützen, profitieren von einem zukunftsträchtigen Arbeitsfeld.
Die Elektromobilität verändert nicht nur das Fahrzeug, sondern auch das Berufsfeld selbst. Mit der richtigen Ausbildung und konsequent umgesetzten Sicherheitsstandards wird sie somit zu einer Chance für eine ganze Branche.
Anmerkungen
Hochvolt:
In der Fahrzeugtechnik spricht man von Hochvolt-Systemen bei Spannungen von 60 V bis 1500 V Gleichspannung (DC) oder von 30 V bis 1000 V Wechselspannung (AC), insbesondere bei der Hybrid- und Brennstoffzellentechnologie sowie bei Elektrofahrzeugen. Quelle: UNECE R100 bzw.
DGUV Information 209-093 (früher: BGI 8686)
hochvolteigensicher:
Grundsätzlich wird bei HV-eigensicheren Fahrzeugen durch technische Maßnahmen ein vollständiger Berühr- und Lichtbogenschutz gegenüber dem HV-System gewährleistet.
Dies wird insbesondere erreicht durch eine technisch sichere Abschaltung des HV-Systems und einer automatischen Entladung möglicher Energiespeicher vor Erreichen unter Spannung stehender Teile. Außerdem sind die Kabelverbindungen über Stecker in lichtbogensicherer Ausführung und nicht über Schraubverbindungen ausgeführt. Zusätzlich erfolgt eine sichere Abschaltung bei Entfernen von Abdeckungen des HV-Systems.
HV-Fahrzeuge sind zudem mit einem Isolated Terra-Netz ausgestattet. Bei diesem IT-Netz ist im Gegensatz zu einem 12 V-Bordnetz sowohl die Plus- als auch die Minusleitung gegenüber der Karosserie bzw. dem Gehäuseteil isoliert. Für die Reparatur oder Fehlerdiagnose muss der Mitarbeiter eine „Fachkundige Person (FHV) für Arbeiten an HV-Systemen im spannungsfreien Zustand“ (Stufe 2S) sein.
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