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Das Alter von Autoreifen ist ein wichtiges Thema!Lernfeld 10 Fahrwerk und Bremse
Normalerweise sind die Polymerketten der
Gummimischung amorph angeordnet, d. h. sie befinden sich in einem ungeordnetem
Zustand. Bei niedrigen Temperaturen kann sich jedoch an einigen Stellen eine
mikrokristalline Struktur ausbilden, so dass die Polymerketten lokal
regelmäßiger angeordnet sind und es so zu einer Verhärtung kommt. Beim Kunden
kann diese Verhärtung den Eindruck einer Qualitätsverschlechterung hervorrufen.
Da dieser Vorgang jedoch reversibel ist, bei Temperaturerhöhung bildet sich
wieder die amorphe Struktur aus, wird die Gebrauchstauglichkeit des Reifens
jedoch nicht beeinträchtigt.
Gummimischungen bestehen neben
natürlichem und synthetischem Kautschuk, der das Grundmaterial liefert, zu einem
großen Teil aus Füllstoffen wie Russ und Silika, die für die
Widerstandsfähigkeit des Reifens gegen Abrieb zuständig sind. Beim Mischvorgang
während der Herstellung des Reifens kommen weiterhin noch Kreide, Öle, Harze,
Beschleuniger, Verzögerer, Mischhilfen, Aktivatoren und Schwefel hinzu. Füllstoffe wie der Ruß lagern sich zu
Clustern, zu kleinen Gruppen zusammen und verzahnen sich hierbei. Dies macht den
Reifen steifer. Durch die mechanische Beanspruchung des Reifens im Fahrbetrieb
lösen sich die Cluster jedoch mit der Zeit etwas auf, was zu einer geringeren
Steifigkeit führt. Hierbei handelt es sich auch um einen reversiblen Prozess.
Ein Reifen ist aufgrund unterschiedlicher
Anforderungen an die Eigenschaften des Materials aus verschiedenartigen
Gummimischungen aufgebaut. So soll beispielsweise Öl als Füllstoff den Reifen an
einigen Stellen weich machen. An den Kontaktstellen der Gummimischungen kommt es
jedoch zu Diffusionsvorgängen, bei denen das Öl aus einer höheren ölhaltigen
Mischung in Bereiche diffundiert, die weniger Öl enthalten. Durch die geänderte
Zusammensetzung der Mischung verändert sich nun auch die physikalische
Eigenschaft. Dieser Vorgang ist irreversibel und stark von der Temperatur
abhängig. Gegen die Weichmacherdiffusion hilft allerdings eine sachgerechte
Lagerungstemperatur.
Die Reifenhersteller versuchen ihrerseits diesen Prozessen
entgegenzuwirken, indem sie den Gummimischungen Substanzen beimengen, die
leistungsmindernde Reaktionen in erforderlichem Maße verhindern sollen. Damit
ist jedenfalls gewährleistet, dass ein mehrere Jahre alter Reifen, der aber auch
sachgemäß gelagert wurde, in der Ausgewogenheit seiner Produkteigenschaften
einem Neureifen entspricht.
Richtige Lagerung von Reifen
Das Amtsgericht (AG) Starnberg hat aber in einem Urteilsspruch vom 16. Dezember 2009 (AZ: 6 C 1725/09) entschieden, dass Reifen unter bestimmten Umständen nicht mehr als Neureifen verkauft werden dürfen. Bei derartigen Reifen habe der Käufer einen Anspruch auf Preisminderung. Der Durchschnittskäufer dürfe beim Kauf von Neureifen davon ausgehen, auch Reifen zu erhalten, die dem neuesten, werbemäßig angepriesenen Stand der Technik entsprechen, begründete das Gericht seine Entscheidung.
Verwendung von Reifen in der Praxis
Ein Reifen ist im Fahrbetrieb jedoch
deutlich anderen Bedingungen ausgesetzt, als bei sachgerechter Lagerung. Im
Fahrbetrieb erreichen die Reifen höhere Temperaturen und sind dem Sonnenlicht
und allen möglichen Witterungsverhältnissen ausgesetzt. Außerdem müssen die
Reifen im Sommer höhere Ozonkonzentrationen aushalten und werden stark
mechanisch beansprucht. PKW-Sommer- und Winterreifen sowie
Motorradreifen werden deshalb heute so entwickelt, dass die Ausgewogenheit der
Produkteigenschaften und damit die Sicherheitsqualität über das gesamte aktive
Reifenleben erhalten bleibt. Natürlich vorausgesetzt, dass die Reifen ständig
unter normalen Bedingungen genutzt und in Ruhezeiten einwandfrei gelagert
werden. Dies hat zur Folge, dass die
Reifenverschleißgrenze lange vor der Alterungsgrenze erreicht wird.
Vom Bundesverband für den Reifenhandel und das
Vulkaniseur-Handwerk e.V. (BRV) wird empfohlen, Reifen, die älter als 10 Jahre
sind, nur noch zu benutzen, wenn sie vorher ständig unter normalen Bedingungen
im Einsatz waren. Diese Reifen sollten also nicht mehr umgesteckt, sondern nur
noch im laufenden Betrieb abgefahren werden. Davon abweichende Empfehlungen der
Reifenhersteller sind zu beachten. Autofahrer sollten speziell bei älteren
Fahrzeugen oder bei Fahrzeugen, deren Kilometerlaufleistung eher niedrig ist,
auf das Reifenalter und den Reifenzustand achten. Kompromisse bei Reifen, die
älter als 10 Jahre sind, sollten aus sicherheitstechnischen Erwägungen auf
keinen Fall gemacht werden.
Problematik Standfahrzeuge
Reserverad
Mehrere Gerichte
hatten sich in den vergangenen Jahren mit der Frage
auseinandergesetzt, wann ein Kraftfahrzeug als „fabrikneu“ bzw.
wann es als „neu“ verkauft werden kann.
Ein unbenutztes Kraftfahrzeug ist regelmäßig noch "fabrikneu",
wenn und solange das Modell dieses Fahrzeugs unverändert
weitergebaut wird, wenn es keine durch längere Standzeit
bedingten Mängel aufweist und wenn zwischen Herstellung des
Fahrzeugs und Abschluss des Kaufvertrages nicht mehr als 12
Monate liegen. (BGH, Urteil vom 15. Oktober 2003 - VIII ZR
227/02) Eine weitere Voraussetzung
ist, dass dieses Modell unverändert weitergebaut wird, also
keine Änderungen in der Technik und der Ausstattung aufweist. Es
wird davon ausgegangen, dass ein Fahrzeug zwar nicht fabrikneu
aber noch als Neuwagen gilt, wenn zwischen Herstellung und
Verkauf etwa 2 ½ Jahre liegen. Reimporte beeinflussen diese
Tatsache nicht.
Fabrikneu oder
neuer Reifen
Diese Bewertung lässt sich auf das
Reifenalter jedoch nur bedingt übertragen. Ein einmal als fabrikneu produzierter
Reifen muss beim Verkauf einwandfrei und ordentlich gelagert worden sein.
Für Fristen bei Reifen muss man von längeren Zeiträumen ausgehen. Dafür gibt es
technische Gründe, weil ein Reifen ein homogenes Produkt ist, dessen Komponenten
bei richtiger Lagerung nur in geringem Umfang einem Alterungsprozess ausgesetzt
ist. Auch die Käufererwartung ist eine andere, denn es gibt hier im Gegensatz
zum Kraftfahrzeug für den Verbraucher weniger erkennbare und bedeutsame
Maßnahmen der Modellpflege. Wenn ein Reifen länger als drei Jahre
gelagert wurde, wird man ihn nicht mehr als fabrikneu anbieten dürfen, so lautet
das Statement des Justiziars des BRV zum Thema Reifenalter. Dies gilt erst recht
nicht, wenn es in der Zwischenzeit bei dieser Größe Nachfolgeprodukte oder
sonstige grundlegende Änderungen gab. Der ADAC vertritt hingegen die Meinung,
dass Reifen, die älter als 2 Jahre sind, nicht mehr als neuwertig zu verkaufen
seien. Als Neureifen wird man aber eine Frist bis fünf Jahre nutzen dürfen, so
der BRV, denn bis dahin beeinträchtigt der physikalische und chemische
Alterungsprozess nicht die technische Qualität. Aber auch hier gilt, dass ein
Modellwechsel die Eigenschaft als Neureifens beeinflusst.
Trotzdem muss aber ein Autohändler beim Verkauf eines Gebrauchtwagens das Alter
der Reifen anhand der DOT-Nummer überprüfen, wenn aufgrund besonderer
Umstände hierfür Anlass besteht. Unterlässt er diese Prüfung, so haftet er für
den Schaden, der dadurch entsteht, dass ein Reifen infolge Überalterung platzt
und es zu einem Unfall kommt. Dies besagt jedenfalls ein BGH-Urteil vom 11.
Februar 2004 – (VIII ZR 386/02). In diesem Fall war es
zu einem Unfall mit einem Ferrari gekommen, dessen Reifen etwas mehr als
5 Jahre alt waren. Sachverständiger vor Gericht war in diesem Fall aber kein
Reifensachverständiger. Zusammenfassung und Bewertung ReifenalterDie Alterung von Reifen beruht auf
chemischen und physikalischen Zusammenhängen. Bei sachgerechter Lagerung findet
die Alterung nur sehr langsam statt, nicht benutzte Reifen bleiben lange
neuwertig. Im Fahrbetrieb laufen Alterungsvorgänge schneller ab, die
Verschleißgrenze bei sachgerechter Nutzung wird jedoch lange vor der
Alterungsgrenze erreicht. Es ist inzwischen allgemein anerkannter Stand der
Technik, dass ein fehlerfrei hergestellter und ordnungsgemäß gelagerter Reifen
eine grundsätzliche Lebensdauer von 10 Jahren besitzt und
bei vorschriftsmäßiger Lagerung max. 5 Jahre ihre vollen
Gebrauchswerteigenschaften beibehalten. Das heißt der Verkauf und Montage sind
somit technisch unbedenklich. Ein Winterreifentest der Zeitschrift „Gute Fahrt“
mit Neureifen und 1 bis 2 Jahre gelagerten Reifen hat ergeben, dass die
Gebrauchten eine nur minimal niedrigere Performance im Bereich Traktion im
Schnee gegenüber den Neureifen aufwiesen, sonst jedoch gleiche Ergebnisse
erzielten. Der ADAC empfahl im Heft 9/2004 den
Reifen spätestens nach 8 - 10 Jahren zu ersetzen. Der Verbraucher muss nach
Ansicht des ADAC beim Kauf 5 Jahre alter "Ladenhüter" deutliche Nachteile in
Kauf nehmen. Da Reifen spätestens 10 Jahre nach der Herstellung ausgetauscht
werden sollten, halbiert sich die Nutzungsdauer dieser lange gelagerten Reifen.
Dies zwingt besonders zum Wechsel wenig gefahrener Winterreifen mit
ausreichendem Profil. An bestimmten Anhängern sind über 6 Jahre alte Reifen gar
nicht zulässig. Diese 5 Jahre alten "Neureifen" könnten somit nur ein Jahr
gefahren werden. Darüber hinaus kann die Ersatzbeschaffung von defekten älteren
Reifen Probleme bereiten. Weiterer Nachteil, so der ADAC ist, dass ältere Reifen
nicht dem Stand der Technik entsprechen.
In der juristischen Betrachtungsweise sollte eine
Unterscheidung in „fabrikneu“ und “neu“ erfolgen, so dass Statement des
BRV-Justiziars. „Fabrikneu“ bedeutet bis zu 3 Jahren, „neu“ bis zu 5 Jahren.
Kürzere Fristen sind jedoch angeraten, wenn entscheidende technische
Veränderungen am Reifen vorgenommen worden sind, oder ein Modellwechsel
stattgefunden hat. Selbstverständlich schuldet der
Reifenhandel dem Kunden, der durch die zahlreichen Testveröffentlichungen in der
Fachpresse aufgeklärt ist, ein technisch einwandfreies und neues Produkt. Das
bedeutet im Rahmen der zuvor beschriebenen Hinweise jedoch nicht, dass die
technisch vertretbaren Lagerzeiten nicht verantwortlich ausgeschöpft werden
dürfen.
Der Autor empfiehlt den Satz Reifen innerhalb von 3 Johannes Wiesinger (12/2006) für den
technik Profi in auto motor und sport Quellen: ADAC, auto motor & sport, BRV (Stellungnahme Justiziar sowie Bilder), Continental (Continental-Studie Alterung von Reifen), Gute Fahrt, Internet: http://www.bundesverband-reifenhandel.de/, www.conti.de/
Autor: Johannes Wiesinger bearbeitet: |
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